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Monday5

Film und Storytelling für Marken

#Film #interview #Marke

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Der «junge Wilde» im schmucken rosa Hemd und der renommierte Professor – Matthias Knezy-Bohm und Maximilian Speidel. Der eine hat an der Hochschule für Fernsehen und Film in München studiert, Musikvideos für internationale Bands gedreht und ist heute Professor. Der andere hat als Schauspieler in «meh schlächten als rechten» Filmen mitgespielt und hat schliesslich hinter die Kamera gewechselt – als Quereinsteiger, der sich alles selbst beigebracht hat.

«Action»

Matthias: Da fallen mir gleich die Kommandos am Set ein, wobei in Deutschland statt «Action!» eher «Bitte» verwendet wird. Das ist ein wenig höflicher. Dann gibt es noch einige geflügelte Sätze, die ich nutze. Man kann einem Schauspieler nach dem ersten Take nicht sagen, dass das nun die schlechteste Leistung aller Zeiten war. Ich sage dann also gern «Das war nun ja schon Broadway, aber jetzt geht es auch noch Hollywood, oder?»

Maximilian: … ist dann, wenn es los geht. Wobei ich dieses Kommando zum Beispiel im Dokumentarfilm eher nicht nutze, da man dort so weit als möglich im Hintergrund bleiben möchte. Und bei Werbefilmen habe ich meinen Regie-Assistenten, der für mich Kommandos brüllt.

«Werbefilm»

Matthias: Kann viel Spass machen, vor allem, wenn man «goldene Ideen» realisieren kann: Eine Story, die auf den ersten Blick kaum etwas mit dem Produkt zu tun hat, aber Preise gewinnt. Dann gibt es auch die Werbespots, in denen sich der Kunde wünscht, dass ein Star sein Produkt in die Hand nimmt und sagt, wie geil das ist. Da ist deine Gage dann eher Schmerzensgeld.

Maximilian: Spass, unendliche Möglichkeiten, ein Produkt oder eine Marke zum Publikum zu bringen. Viel Kreativität, viel Manipulation. Aber es funktioniert mittlerweile nicht mehr alles. Autos können nicht mehr mit nackten Frauen verkauft werden.

«Talent»

Matthias: Talent ist, wenn jemand in einem oder mehreren Bereichen aussergewöhnlich ist und das auch umsetzen kann. Durchschnitt ist etwas, was mich langweilt, es braucht mehr als das, um an die Spitze zu kommen. Ich habe einige Studierende, die überdurchschnittlich sind. Darunter Chef*innen von Werbeagenturen oder erfolgreiche YouTuber*innen. Sehr talentierte Studierende bringen wir zum Sprint, während wir andere vielleicht «nur» zum Gehen animieren können.

Maximilian: Puh, darüber habe ich schon nächtelang nachgedacht. Das ist etwas, was dir in die Wiege gelegt wird, eine gewisse Veranlagung. Trotzdem braucht es auch mit Talent viel Arbeit, um etwas zu erreichen. Halte ich mich für talentiert? Auf gewisse Weise sicher. Aber ich habe viel an mir gearbeitet, nächtelang Tutorials geschaut und mir alles selbst beigebracht.

«Gute Werbung»

Maximilian: … lotst Grenzen aus, erzählt eine gute Geschichte, löst Emotionen aus und regt mich zum Nachdenken an. Gute Werbung erfasst die Marke und verkauft sie mir so, dass die Story bei mir nachklingt. Sie muss ein Gefühl vermitteln, damit man sich unterbewusst für ein Produkt entscheidet. Vor allem wenn Brands den Mut haben, neue Wege zu gehen, ist das für mich gute Werbung.

Matthias: … emotionalisiert, berührt und belästigt mich nicht. Kein «Du! Kaufst! Das! Jetzt!» Auf YouTube hat man beispielsweise vier Sekunden Zeit, um zu begeistern und Spannung aufzubauen, sonst sind die Zuschauer weg.

«Schlechte Werbung»

Maximilian: Schlechte Werbung hat keine Ansprüche. Wenn man Sexismus oder Rassismus nutzt, sich seiner Verantwortung nicht bewusst ist und Rollenbilder zementiert. Das kann vielleicht eine Wirkung erzielen. Aber wir müssen aus Rollenbildern ausbrechen.

Matthias: Wenn du das Produkt oder den Zusammenhang zwischen Spot und Produkt nicht verstehst. Oder wenn die Werbung einfach nervt. Manchmal funktionieren Spots auch zu Beginn und irgendwann nerven sie nur noch und man möchte den Synchronsprecher erwürgen.

«Schauspieler*in»

Matthias: … sind dein Instrument, das du als Regisseur zum Klingen bringen musst. Ob Fellini oder Tarantino – viele Regisseure arbeiten gern immer wieder mit den gleichen Schauspieler*innen, weil sie genau wissen, wie zusammen Magie entsteht. Als Regisseur*in gilt es, sich vorzubereiten, die Interessen der Akteur*innen zu studieren und eine gemeinsame Ebene zu finden. Denn, als Regisseur*in bist du alles: Psycholog* in, Animator*in, Diktator*in …

Maximilian: Menschen, die das Talent haben, in eine Rolle zu schlüpfen und sie authentisch wiederzugeben. Meine Aufgabe als Regisseur ist es, Schauspieler* innen zu lotsen, den Menschen und die Rolle zu verstehen.

«TikTok»

Matthias: Erinnert mich an MySpace. Während sich YouTube verändert hat, wird TikTok, wenn es sich nicht weiterentwickelt, vom nächsten «heissen Scheiss» abgelöst.

Maximilian: Für mich bleibt TikTok ein «rising star». Menschen lieben Challenges. Und TikTok funktioniert stark darüber. Es ist verrückt, wie kreativ die jungen Creators sind. Ausserdem verbinden solche Plattformen weltweit junge Menschen. Auch wenn du einer Subkultur angehörst, zum Beispiel ein Emo vom Dorf bist, findest du andere Gleichgesinnte und fühlst dich nicht mehr allein. Und nicht zuletzt ist TikTok eine verdammte Rabbit Hole. Du öffnest diese App und zack, sind zwei Stunden vorbei. Ich musste sie deinstallieren.

Das eine grosse berufliche Ziel?

Matthias: Wenn meine Studierenden besser werden als ich, bin ich erfolgreich. Ich hätte gern alle zwei Jahre ein*e Student*in, der / die / das ein richtiges Feuerwerk entfacht.

Maximilan: Verrate ich nicht. Ich bin generell niemand, der sich Fünf-Jahres-Ziele steckt. Ich lebe sehr im Moment. Aber es gibt sicher Dinge, die ich mir wünsche. Darunter, dass ich einmal bei einem Film Regie führe, der das Verhalten in der Gesellschaft verändert. Und ich möchte in Welten einen Einblick geben, die sonst verschlossen bleiben.

Goht gar nöd…?

Maximilian: Generell habe ich sehr strenge ethische Grundsätze. Da ich mich pflanzlich ernähre, lehne ich Projekte, die mit der Milch- oder Fleisch-Lobby zu tun haben, ab. Auch für Fast Fashion Brands werbe ich nicht. Es ist immer ein Abwägen. Verzichte ich auf das fancy Auto, muss dafür aber diese oder jene Werbung nicht machen?

Matthias: Rassismus, Seximus … Als Medienschaffender bin ich Multiplikator. Und ich bilde Leute aus, die sich entscheiden müssen, was sie machen und was nicht. Ich wollte zum Beispiel nie Werbung für Zigaretten und Alkohol machen. Aber natürlich ist das oft auch eine Frage der Gage. Jeder ist doch irgendwie käuflich, aber man sollte seine moralischen Grenzen kennen.

Sexismus und Werbung?

Matthias: Und hier kommt die Brücke zu vielen Influencerinnen, die ein Frauenbild der 70er-Jahre vermitteln. Da denke ich mir «dafür haben Frauen für Gleichberechtigung gekämpft»? Und sind wir mal ehrlich: Die Werbebranche ist eine brutale Männerwelt. Ich bereite meine Studentinnen darauf vor, wenn sie ein Praktikum in einer Agentur machen, dass sie sich da behaupten müssen. Sexismus ist für mich wieder viel stärker präsent, als es sein sollte.

Maximilian: Dem würde ich widersprechen. Die Konsument*innen sind viel wacher als früher. Eine Generation, die in jungem Alter auf der Strasse für das Klima demonstriert, ist schwierig mit sexistischer Werbung zu erreichen. Du kannst nicht mehr für einen Double Whopper mit Brüsten werben.

Und was würdest du deinen Interviewpartner gern fragen?

Matthias: Die Schweiz hat sich stark verändert, seit ich sie verlassen habe. Max, du lebst in der Schweiz. Was ist für dich typisch Schweizer Film und ist das ein Hindernis für dich?

Maximilian: Typisch Schweizer Film. Hm. Mangelnde spannende Geschichten und Selbstironie. Der Humor fehlt. It’s just not funny. Wir sollten lernen, über uns selbst zu lachen und uns nicht so ernst zu nehmen. Hindert mich das an meiner Arbeit? Nein. Man merkt einfach, dass die Bereitschaft im Ausland höher ist, einfach loszulegen. Das ist mokant gemeint, aber in der Schweiz wird auf die Uhr geschaut und zuerst eine Kulturstiftung für Gelder angefragt. Aber ich orientiere mich sowieso nicht am Schweizer Film. Ich war immer sehr international unterwegs. Die Qualität von Filmen hierzulande crazy, aber die Inhalte, naja. Aber auch das ändert sich langsam. Es ist eine neue Generation da, die viel Potenzial hat. Und Matthias, gern würde ich dich fragen, ob wir mal Kaffee trinken in Zürich. Und für wie wichtig du eine Universität für die Entwicklung eines Menschen hältst.

Mattias: Gern, aber ich trinke dann eine Ovomaltine. Und zur zweiten Frage: Die Entwicklung als Mensch findet auch ohne eine Universitätsausbildung statt – oder eben auch nicht. Das «eben auch nicht» kann allerdings auch mit Universitätsausbildung geschehen. Trotzdem erleichtert eine Ausbildung und dabei auch eine universitäre Ausbildung den Einstieg in den Beruf. Und letzten Endes entscheidet ein erfolgreiches Studium irgendwann auch über den Karriereverlauf und die Gehaltsstufe. Das sind nun mal die Spielregeln in der aktuell bestehenden Gesellschaft.

Deine letzten Worte für heute?

Matthias: Das klingt so final. Für mich gibt es keine letzten Worte. Das sage ich auch meinen Studierenden. Du wirst nie den perfekten Film machen. Sonst wärst du fertig. Deshalb gibt es auch von mir keine letzten Worte. Es geht immer weiter.

Maximilian: Hm, Namaste?

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