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Monday5

Audio Branding: Wie Marken klingen

#interview #Marke #Musik

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  • Marke

Oliver Fehr von Kernbrand im Duo mit Ph!l!pp Schweidler von Department of Noise.

Ph!L!pp – was war deine erste «Audio-Brand-Erinnerung»?
Unbewusst waren dies wahrscheinlich die in der Schweiz omnipräsenten Kirchenglocken. Als erste bewusste Erinnerung an ein akustisches Erkennungsmerkmal fällt mir der Gong der ARD-Tagesschau ein. Irgendwann später habe ich mich dann mal gefragt, warum der wohl die Note Db spielt. Weil die an diese Tonart gebundene Emotion ist, gelinde gesagt, niederschmetternd!

Warum ist Musik der perfekte Markenbotschafter?
Nichts ist perfekt, ausser der Espresso im ersten Autogrill jenseits der Grenze!
Wir leben in einer allgegenwärtigen Reizüberflutung auf allen Kanälen, was eine Abstumpfung und eine konstante partielle Aufmerksamkeit zur Folge hat. Dies führt zu einer veränderten Aufnahme von Markenbotschaften: weg von einer rationalen Auseinandersetzung mit einem Brand, hin zu einer emotionalen Wahrnehmung. Und da Musik ja schon ein sehr geeignetes Instrument ist, um Emotionen zu vermitteln, kann diese hier einen grossen Beitrag leisten.

Als Musiker ist man ja zuerst immer mit dem eigenen musikalischen Brand beschäftigt. Wie bist du zur Markenkommunikation gekommen und wann hast du gemerkt, dass Audio Branding dein Ding ist?
Seit jeher hat mich das Spannungsfeld zwischen Marke/Design und Musik fasziniert und beschäftigt, auch habe ich mich ja recht bald hauptsächlich der konzeptionellen Arbeit hinter den Kulissen gewidmet. Auch ein Künstler ist ja – im übertragenen Sinne – eine Marke, die es authentisch und einzigartig auf der auditiven Ebene zu positionieren gilt. Entsprechend war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Möglichkeit ergeben hat, die Sound-Identität für einen «richtigen» Brand zu entwickeln. Und weil es uns ganz einfach Spass gemacht hat, haben wir uns darauf konzentriert und unseren Prozess entsprechend geschärft.

Richtig spannend wirds ja, wenn die Marke über das Audio-Logo hinaus auf der Tonspur konsistent über alle Touchpoints erlebbar gemacht wird. Dann kriegt die Marke effektiv Halt und wird spürbar.

Als ich mir in Vorbereitung auf dieses Interview ein paar alte Jingles angehört habe, konnte ich relativ schnell und ohne nachzusehen die dazu passenden Brands nennen. Wie viel Psychologie steckt denn da jetzt dahinter? Oder ist diese blitzartige Wiedererkennung von Marken über eine Melodie nicht viel mehr das Resultat von kontinuierlicher Audio-Konfrontation in TV, Radio oder Internet?
Die Penetration und langjährige Anwendung ist – wär hätte es gedacht – auch beim Audio Branding ein nicht unwesentlicher Faktor für den Erfolg. Pawlow lässt grüssen! Und er hilft uns natürlich auch inhaltlich. Weil richtig spannend wirds ja, wenn die Marke über das Audio-Logo hinaus auf der Tonspur konsistent über alle Touchpoints erlebbar gemacht wird. Dann kriegt die Marke effektiv Halt und wird spürbar – somit kann Audio einen noch viel grösseren Beitrag zur Markenbindung leisten. Klang kann viel mehr als nur um Erinnerung betteln!

Ich zitiere dich: «Der Kopf findet immer ein Argument für den Entscheid, den der Bauch trifft.» Musik also als «Entscheidungsträger»?
Die emotionale Wahrnehmung einer Marke kann durch Klang massgeblich mitgestaltet werden. Und da meiner Überzeugung nach eine emotionale, authentische Identität die zentrale Währung für den Markenerfolg in der Zukunft sein wird, denke ich schon, dass Audio als Teil einer gesamtheitlichen Brand Experience schliesslich bei der Kaufentscheidung einen Einfluss hat.

Stichwort «emotionale Identität» – Musik kann Emotion pur sein, aber strapaziös rezitiert auch schnell mal nerven. Gibt es in dieser Beziehung bestimmte Regeln zu beachten oder eine Art Akustik-Guide für Audio-Brand-Produzenten? Dur statt Moll?
Das richtige Asset am richtigen Touchpoint in der richtigen Kadenz. Vielleicht in der Reklamations-Hotline den genervten Kunden nicht gerade mit dem «Wir sind die besten»-Audio-Logo empfangen. Die Zielgruppe zu kennen und zu studieren, kann natürlich auch nicht schaden. Und auch die auditive Ebene einer Marke dynamisch betrachten und nicht als starres Regelwerk!

Du produzierst ja nicht nur 3-Sekunden-Audio-Logos, sondern ganze Klangwelten für Brands und Unternehmen. Gibt es da strikte Vorgehensweisen, wenn du dich an so ein neues Projekt wagst, oder siehst du die Marke und hast gleich den passenden Beat, die Melodie und den Sound dazu im Ohr? Wie muss man sich diesen Prozess vorstellen?
Das visuelle Erscheinungsbild ist ja nur ein Teil einer Marke. Die Erarbeitung einer Sound-Identität ist im weiteren Sinne ein Designprozess, wie man ihn auch aus dem visuellen Branding kennt. Nach der Analyse und Erarbeitung einer Strategie im Umgang mit Klang wird die Sound-DNA, ein ca. 60 Sekunden langes Musikstück, kreiert. Dieses enthält alle Parameter, welche den Brand Sound ausmachen: Melodie, harmonische Struktur, Rhythmus, Instrumentierung und Soundbild sowie Dynamik. Daraus werden dann die gewünschten Sound Assets abgeleitet. Da der Diskurs über die Anmutung des Brand Sound zu diesem Zeitpunkt ja bereits geführt worden ist, geht dies entsprechend zielsicher vonstatten. Je nach Asset kann man sich natürlich auch durchaus mal aus der «Komfortzone» der Sound-DNA herausbewegen … Wer die Regeln kennt, darf sie auch mal gekonnt brechen.

Bekannte Audio-Logos, wie jene von Ricola, Audi, Intel oder Swisscom, gibt es ja schon ein Weilchen. Wie lange «hält» so ein Asset durch? Gibt es ein Ablaufdatum oder weshalb ist es wichtig, die so lange am Leben zu halten?
Die Soundwelten von Audi und Intel sind sehr dynamisch orchestriert. Entsprechend wurden auch ihre Audio-Logos über die Jahre immer wieder angepasst und modernisiert, allerdings immer so, dass sie klar erkennbar blieben. Da gibts viele Parallelen zum visuellen Branding. Und die Gratwanderung zwischen zu forschem Überarbeiten und zu konservativem Festhalten an Bestehendem ist natürlich gegeben. Ablaufdatum ist mir keins bekannt. Ausser es ist nicht gut, dann muss es weg! Aber der MGM-Löwe brüllt ja schon seit bald 100 Jahren, und den hört meines Wissens jeder Filmliebhaber immer noch gerne.

Denkt man an Sound in der Werbung, kommen einem als Erstes die «dicken Dinger» wie Coke, McDonalds oder hierzulande die Migros in den Sinn. Ist Sound Identity also eher was für die Grossen oder macht das auch für kleinere Brands und Unternehmen – z.B. im KMU-Bereich – Sinn?
Jedes Unternehmen, welches strategisch kommuniziert, tut gut, wenn seine Tonspur genauso kohärent daher kommt, wie man sich dies – auch im KMU-Bereich – auf der visuellen Ebene gewohnt ist. Das Problem ist dort eher die Bereitschaft, mit dem entsprechenden Mindset das Thema Branding im Allgemeinen anzugehen. Markenerlebnisse neu zu denken, bedingt viel strategische Arbeit – aber eben auch ungeahnte Möglichkeiten! Aber dazu müssen auch die nötigen personellen Ressourcen intern erstmal frei gemacht werden.

Die Digitalisierung hat uns eine Vielzahl von neuen Touchpoints beschert, welche zu einem fundamentalen Wechsel im Medienkonsum geführt haben.

Thema Digitalisierung: Wie gross ist die Bedeutung einer Sound Identity in der heutigen Zeit? Wird auch hier eine Veränderung stattfinden und was bedeutet das für die Zukunft der Markenführung?
Die Digitalisierung hat uns eine Vielzahl von neuen Touchpoints beschert, welche zu einem fundamentalen Wechsel im Medienkonsum geführt haben. Für viele Unternehmungen bringt dies ein Grundbedürfnis an auditiven Assets mit sich, welche häufig als «Eintrittsticket» zu einer gesamtheitlichen Betrachtung der Tonspur beitragen: Branded Music für Content-Filme zum Beispiel, oder die Vertonung einer animierten Bildmarke. In naher Zukunft werden wir uns mit der ersten Welle der Voice User Interfaces konfrontiert sehen, wo erstmals eine interaktive Begegnung mit einer Marke auf rein akustischer Ebene stattfindet. Da muss ich mich als Unternehmung natürlich damit auseinandersetzen, wie ich mich spürbar machen kann. Plötzlich ist Klang – Voice mit eingeschlossen – die einzige Möglichkeit, sich zu differenzieren. Parallel dazu entwickelt sich AI rasant schnell weiter und beschert uns neue Tools, um den Rezipienten zu erfassen. Auch kommen fast täglich neue Möglichkeiten, Sound zu kreieren und generieren, dazu. Nein, es wird gerade nicht langweilig!

Audio Branding also ein entscheidender Vorsprung in der Markenführung auch für kleinere Unternehmen?
Ich masse mir nicht an, dass wir mit dem, was wir machen, das Zünglein an der Waage sind. Aber wir können – unabhängig von der Unternehmensgrösse – dabei helfen, eine Marke zu komplettieren und sie damit glaubwürdiger zu machen. Gerade in einer Zeit, wo durch die Verschiebung unserer Lebenswahrnehmung in eine digitale und virtuelle Umgebung doch die Sehnsucht nach Echtem, Authentischem und Wahrem gestiegen ist. Branding is King!

Welcher Marke oder welchem Produkt würdest du gerne am liebsten heute schon einen neuen Sound verpassen? Gibts einen Traum-Brand, den du gerne vertonen würdest?
Schweiz Tourismus. Allgemein finde ich die Tourismus-Branche super spannend. Tesla wäre auch nicht schlecht. Aber erst, nachdem wir der Ruag ein Reggae-Audio-Logo ins Haus gestellt haben.

Zum Abschluss: Haribo oder Hornbach?
Hornbach. Einfach grandios authentisch und lebensnah! Ausserdem mag ich das Gummizeugs nicht besonders.

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