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Über den Sinn und Unsinn von Brand Purpose

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Vision und Mission gehören zu den meisten Unternehmen wie eine eigene Website und die MwSt-Nummer. Doch ist die klassische Vision-/Mission-Formel überhaupt geeignet, den inneren Antrieb moderner Marken zu erfassen? Diese Frage ist umso relevanter, als heute immer häufiger der sogenannte «Purpose» im Fokus steht.

Deshalb ist es sinnvoll, sich nochmals zu vergegenwärtigen, was sich genau hinter den Begriffen verbirgt. Hier eine Definition der drei Begriffe:

Purpose: Er beantwortet die Frage, wozu es die Organisation/die Marke überhaupt gibt. Welcher übergreifend positive Beitrag soll für die Welt geleistet werden?

Mission: Sie beantwortet die Frage nach dem Unternehmenszweck und erklärt den Nutzen der Geschäftsaktivitäten, den Produkten oder Dienstleistungen. Sie richtet sich in der Regel nach Aussen. Es gibt allerdings auch einige Marken-Spezialisten, die den Purpose und die Mission gleichsetzen. Oder den Purpose als einen Aspekt der Mission sehen.

Vision: Sie ist ein bewusst positiv gemaltes Bild vom Daseinszustand der Organisation/der Marke in einer nicht allzu fernen Zukunft. Sie beschreibt, wie sich die Organisation im besten Fall gesamthaft entwickeln soll. Die Vision richtet sich in der Regel nach Innen.

PURPOSEMISSIONVISION
INHALTExistenzberechtigung der MarkeKonkreter Benefit/Nutzenzukünftige Positionierung der Marke
ZIELGRUPPEAlle StakeholderKund*innenMitarbeiter*innen
AUSRICHTUNGIntern & externEher externEher intern
EINORDNUNGÜbergeordnetes ZielKurzfristiges ZielLangfristiges Ziel, Leitstern

Die Purpose-Diskussion gibt es schon lange

Die Diskussion rund um Brand Purpose ist auch schon wesentlich älter als Simon Sineks populärer «Start with Why»-TED Talk im Herbst 2009. Marketeers und Markenexpert*innen beschäftigen sich schon seit vielen Jahren damit, den Sinn und Zweck ihrer Marken zu identifizieren, zu definieren und zu kommunizieren. Nur wurde dies nicht immer als Brand Purpose bezeichnet. Andere beliebte Wörter sind Brand DNA, Brand Essence und Brand Core, die letztendlich alle etwas Ähnliches beschreiben: Das eine besondere Element, das sich im Herzen der Marke befindet, diese vom Wettbewerb abgrenzt und die Konsument*innen auf emotionaler Ebene anspricht. Einen einzigartigen und überzeugenden Markenkern zu finden war und ist nicht immer einfach – wenn aber formuliert, sollte er dafür eindeutig sein.

So sieht sich zum Beispiel Google nicht als grössten globalen Suchmaschinenbetreiber, sondern «organisiert die Informationen der Welt».

Amazon will nicht das Kaufportal Nummer eins sein, sondern «die höchste Kundenzufriedenheit der Welt» erreichen.

Tesla versteht sich nicht primär als Autobauer, sondern «treibt den Übergang zu nachhaltiger Energie voran».

Das sind alles Purpose-Statements bekannter Brands, die den positiven Beitrag der Marke für die Welt ins Zentrum stellen.

Was heisst das für uns heute?

Und wo stehen wir heute in Bezug auf Brand Purpose? Kann und muss eine Marke in Zeiten einer Pandemie verstärkt sinnorientiert kommunizieren? Ich finde in diesem Zusammenhang die von Nina Rieke beschriebenen drei unterschiedlichen Formen, wie Unternehmen Brand Purpose aufgreifen, ganz gelungen:

1. Die Purpose-Geborenen

Sie sind auf einer starken Sinnorientierung aufgebaut, sozialer und gesellschaftlicher Impact sind Philosophie und Antrieb der Gründer und bestimmen alles, was das Unternehmen tut. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Patagonia oder auch Nikin, ein Schweizer Modelabel, das für jedes bestellte Produkt einen Baum pflanzt.

2. Die Purpose-Reformer

Das sind meist grössere Unternehmen, die das Thema ernsthaft angehen wie beispielsweise AXA. Der Versicherungskonzern hat seinen alten Purpose «Born to protect» überarbeitet. Der neue Purpose lautet «Act for Human Progress by protecting what matters». Der Konzern möchte einerseits einen Beitrag für den menschlichen Fortschritt leisten und andererseits das schützen, was wirklich wichtig ist.

Quelle: https://www.linkedin.com/pulse/what-drives-us-axa-act-human-progress-protecting-matters-buberl

3. Die Purpose-Trittbrettfahrer

Sie machen kurzfristige Sinn-Kampagnen oder Initiativen zu populären sozialen Themen und verwechseln diese mit Purpose. Wird daher auch gern als «Purpose-Washing» oder «Greenwashing» beschrieben. Prominente Beispiele sind McDonalds (Wechsel des Logo-Hintergrunds von Rot auf Grün) oder Primark (Sneakers-Design vom angesagten Öko-Label Veja kopiert).


Quelle: thenuwardrobe Instagram

Purpose muss echt sein

Wenn ein Brand Purpose überwiegend als Marketingtool eingesetzt wird, muss er nicht unbedingt auch gleichzeitig eine ethische Mission verfolgen. Nicht jedes Bier muss den Planeten retten. Nicht jede Zahnpasta muss die Welt verbessern. Es ist für diese Marken wahrscheinlich wirkungsvoller, mit den Verbraucher*innen auf einer emotionalen Ebene zu kommunizieren, die sich direkt auf das Produkt oder die Dienstleistung bezieht. So ist beispielsweise der Purpose von Volvo: «We exist to protect the people inside and around our cars.» Der Schutz des Menschen, die Sicherheit, steht ganz klar im Vordergrund und ist wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum ein Volvo in der Regel gekauft wird. Volvo muss nicht die Welt retten, aber dafür vielleicht ein paar Menschenleben – mit einem sicheren Auto.

Wenn aber der Purpose mit einem höheren Anspruch definiert wird, geht der Ansatz viel weiter als Marketing. Er gehört zur Geschäftsstrategie und muss entsprechend im Unternehmen handlungsleitend wirken und gelebt werden. Die oben erwähnte Marke Patagonia ist beispielsweise deshalb erfolgreich, weil ihr Purpose sich klar in der Realität widerspiegelt. Das Unternehmen wurde mit dem Ziel und Zweck gegründet, Umweltinitiativen zu unterstützen und spendet seit jeher einen erheblichen Teil der Gewinne an gemeinnützige Projekte. Deshalb gilt: Was eine Marke tut, ist wichtiger als das, was sie sagt. Und ihr Purpose muss echt sein. Denn in Zeiten digitaler Transparenz können Konsument*innen eine Marke leicht durchschauen. Man nimmt einer Marke nicht ab, dass sie eine Community aufbauen will, wenn sie nebenbei Kundendaten verkauft. Genauso wenig glaubt man, dass ein Unternehmen sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt, wenn alle ihre Führungskräfte alle männlich sind. Und noch weniger wollen Konsument*innen hören, wie sehr eine Marke den Planeten doch liebt, wenn deren Herstellungsprozesse diesen zerstört.

Damit es auch wirklich Sinn macht

Purpose ist aktuell angesagt, keine Frage. Es ist auch mehr als ein kurzlebiger Trend, sondern durchaus ein Thema mit Potenzial, mit dem wir uns noch länger beschäftigen werden. Mit dem richtigen Ansatz können Unternehmen und ihre Marken einen bedeutungsvollen Brand Purpose entwickeln, der aus der Marke heraus geboren wird und authentisch ist. Und ganz wichtig: Er sollte von Innen wie Aussen spürbar sein und gelebt werden. Dann kann er die Welt vielleicht ein wenig verbessern – oder er macht zumindest Sinn.

Beitragsbild von https://unsplash.com/de/@folkcarlos